– Beitrag: Elisabeth v. Küster –
Das September-Hochwasser 2024 hat uns gezeigt, wie mächtig und formend die Natur sein kann – das neu entstandene Mündungsdelta der Lomnitz ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür. Nun haben wir die einmalige Chance, dieses Gebiet nachhaltig zu gestalten und den Hochwasserschutz mit Umweltschutz und der Entwicklung unserer Kulturlandschaft zu verbinden.
Was geschah während des Hochwassers?
Massive Niederschläge führten innerhalb weniger Stunden dazu, dass sowohl der Fluss Lomnitz als auch der Bober enorm anschwollen und angrenzende Bereiche weiträumig überfluteten. Die Pegelstände und der Zerstörungsgrad an den Flussbereichen im Hirschberger Tal waren weitaus höher als bei dem „Jahrhunderthochwasser” von 1997. Der Bober hatte einen so hohen Wasserstand, dass die Lomnitz im Mündungsbereich nicht mehr in den Bober einfließen konnte und dadurch ein Rückstau von Wassermassen entstand. Die enormen Kräfte, die durch diese Rückstauung kurz vor dem Mündungsbereich entstanden, führten dazu, dass der linke Uferbereich ca. 150 Meter vor der Mündung unter enormen Druck geriet und schließlich über eine Länge von ca. 50 Metern durchbrochen und vollständig abgetragen wurde. Die Wassermassen, die sich in diesen Bereich ergossen, formten ein neues deltaartiges Flussbett, das sich mit drei bis vier Nebenarmen über ein Feld mit einer Fläche von 17 ha erstreckt. Ungefähr die Hälfte des Flusswassers der Lomnitz nahm den Weg über das neue Areal und mündete dann ca. 250 Meter unterhalb des bisherigen Zusammenflusses in den Bober. So konnte die Lomnitz den Rückstau ausgleichen, da das Wasser sich nun auf der Fläche des neu geschaffenen Deltas verteilen konnte und schließlich an einer tiefer gelegenen Stelle direkt in den Bober abfloss.
Dieses bislang landwirtschaftlich genutzte Feld stand einige Tage lang komplett unter Wasser. Nachdem die Pegel gesunken waren, floss noch über eine Woche aufgrund des neuen Durchbruchs kontinuierlich Wasser in die neu entstandenen Flussarme.
Ein erneuter Regen etwa eine Woche nach dem Rückgang des Hochwassers führte dazu, dass das Feld erneut unter Wasser stand und in den größeren und kleineren Wasserläufen wieder Wasser strömte.
Die Kraft der Natur hat sich gezeigt
Wir sind Zeugen geworden, wie innerhalb weniger Tage durch die Kraft des Wassers das Landschaftsbild im Mündungsbereich der Lomnitz in den Bober tiefgreifend verändert wurde. Auch jetzt befinden sich bei niedrigem Wasserstand noch Tümpel auf dem Feld, das von tiefen Furchen, weitläufigen Kies- und Sandbänken und zahlreichen Mulden überformt ist. Eine weitere landwirtschaftliche Nutzung ist schwer vorstellbar.
Es scheint, als hätte sich die Lomnitz ihr ursprüngliches Mündungsgebiet in den Bober zurückerobert. Rückblickend erscheint dies als Glücksfall, da auf diese Weise viele Gebäude im Überschwemmungsbereich der Lomnitz v.a. in den Orten Łomnica/Lomnitz und Erdmannsdorf/ Mysłakowice vor noch größeren und noch katastrophaleren Schäden durch noch höhere Wasserstände bewahrt wurden. Dadurch, dass sich die Lomnitz ihren historischen Raum zurückgeholt hat, konnten sich die enormen Wassermassen verteilen, der Rückstau abgewendet werden und der Zufluss in den Bober langsamer erfolgen, was auch eine positive Auswirkung auf die schon sehr hohen Pegelstände des Bobers in Hirschberg/Jelenia Góra hatte. Es ist schwer vorstellbar, welche zusätzlichen Schäden noch hätten entstehen können, wenn die Wassermassen, die auf dem Feld zurückgehalten wurden, während des Höhepunktes der Flut noch zusätzlich in die Stadt geflossen wären. So hat die Natur mitgeholfen, einen wirkungsvollen Mechanismus für eine natürliche Entlastung besiedelter Gebiete aufzuzeigen.
Wofür wollen wir uns engagieren?
Gebt den Flüssen ihren Raum! Seit Jahrzehnten, wenn nicht sogar Jahrhunderten bemüht sich der Mensch darum, die immer wieder zerstörerische Gewalt von Flüssen und Bächen zu regulieren und zu kontrollieren.
Inzwischen hat sich jedoch die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine Regulierung von Gewässern nur bedingt einen wirksamen Schutz gegen Hochwasser bieten kann. Häufig ist eine zu rigorose Regulierung durch brachiale Methoden wie Begradigungen von Flussläufen, Betoneinfassungen der Uferbereiche, Entfernung von natürlichen Hindernissen wie Felsen oder Flussinseln sogar die Ursache für eine Verschlimmerung der Hochwasserschäden.
Daher setzten sich seit Jahrzehnten nicht nur Fachleute und Umweltschützer, sondern inzwischen auch europäische Behörden für eine systematische Renaturierung von Flusslandschaften ein.
→ Artikel weiterlesen im GAL 73, S. 30 …