Die Kabinettscheibe “Ein[e] schlesische Braut”.

Eine virtuelle Rekonstruktion eines fiktiven Glasfensters mit Frauendarstellungen

Beitrag: Mika Matthies

Im Depot des Hessischen Landesmuseums Darmstadt befindet sich diese kleine, aber beeindruckende runde Kabinettscheibe in nuancenreicher, zartmodellierter Schwarzbraunlot- und Silbergelbmalerei in Grisaillemanier (Abb.). Dargestellt ist eine junge, blonde Frau in
schlesischer Brauttracht, mit einem weiten Pelzmantel, einer weißen Halskrause und Perlenhaube. Im Hintergrund einige Gräser. Auf einem Spruchband wird sie als “Ein[e] schlesische Braut” bezeichnet.
Die Rundscheibe zeichnet sich durch eine feine Malerei auf farblosem Glas aus. Als Malmittel dienen hier die Glasmalfarben Schwarzbraunlot (bestehend aus zerriebenem Glas und dunklen Metalloxiden), Silbergelb (bestehend aus einer Silbersalzlösung) und Eisenrot. Die Glasmalfarben ermöglichen eine feine Konturmalerei wie auch eine flächendeckende Lasurmalerei. Die Helligkeitswerte oder Schattierungen werden durch Nicht-Bemalen oder Herauskratzen erreicht. Es wurden Schwarzbraunlot für Kleidung, Pflanzen und Spruchband, Silbergelb für Haare und kreisrunde Rahmung und Eisenrot für Kleidung, Wangen und Lippen in verschiedenen Tönen vorder- und rückseitig auf das dünne Glas aufgetragen.
Die monolithische Rundscheibe hat einen Durchmesser von nur 10 cm. Ein Sprung durchzieht die Scheibe. Sie gehört zum alten Bestand des Museums und kam vermutlich 1805 durch die Sammlung des Barons von Hüpsch (ehemals Köln) in den Besitz des Landgrafen und späteren
Großherzogs Ludewig I. von Hessen-Darmstadt und somit ins einst großherzogliche Museum . Einige der ältesten, schönsten und wertvollsten Objekte des Museums stammen aus der Sammlung des Barons. Darunter auch bürgerliche Kostüme aus dem 17. Jahrhundert, in deren Konvolut wegen des Themas und der Zeitspanne auch die Scheibe passt. Der ursprüngliche Standort der Scheibe ist unbekannt; sie könnte aus Köln stammen. Bisher wurde sie auf die Entstehungszeit von 1570 bis 1580 datiert , ist aber durch eine datierte Vorlage auf kurz nach 1586, vielleicht auf 1595 zu datieren. Die sogenannten Roundels entstanden oft mit inhaltlich zusammenhängenden Bildmotiven.
Die einzelne Scheibe war möglicherweise ein Bestandteil eines Fensters mit Frauendarstellungen.

→ Weiterlesen im GAL 69, S. 51


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